Gründung lifecircle

Selbstbestimmung im Leben und im Sterben

Biel-Benken, ein kleines, verschlafenes, aber wunderschönes Dorf, am äussersten Zipfel der Schweiz. Hier arbeite ich als überzeugte Hausärztin mit vielen Hausbesuchen. Ich habe in meiner 25-jährigen Praxiszeit viele Menschen sterben sehen. Immer habe ich versucht, meine Patienten zu Hause und nicht im Spital sterben zu lassen, wenn denn die letzten Tage kamen. In der Palliativmedizin fand ich Zufriedenheit, da ich dadurch meine Patienten zu Hause betreuen konnte bis zum letzten Moment. 2006 lernte ich dann, durch den Freitod meines Vaters, die wertvolle Arbeit von Freitodbegleitungsorganisationen kennen.

Mein Vater schlief durch die Einnahme von Natrium Pentobarbital (NAP) in meinen Armen ein, nachdem er einen Monat zuvor wegen schwerer Krankheit im Alter von 82 Jahren einen Tablettenselbstmordversuch bei mir zu Hause ausgeführt hatte. «Dank» seinem dringenden Wunsch nach Freitod lernte ich eine für mich fremde Art der Sterbehilfe kennen. Mein selbstbestimmter, ab und zu auch eigenwilliger Vater ging mit einer unvorstellbaren Freude und Würde auf seinen letzten Weg.

Dieses Erlebnis prägte meine weitere Entwicklung. Zwei Jahre nach diesem Ereignis wurde ich Konsiliarärztin bei der Freitodbegleitungsorganisation Dignitas, welche vor allem Ausländer begleitet. Ich sah Schicksale, die man sich nicht vorstellen kann.

Menschen, die durch unheilbare Krankheiten schwerst behindert sind, reisen um die halbe Welt in die Schweiz, nur um sich durch einen begleiteten Suizid in Würde und Sicherheit von ihren unerträglichen Leiden erlösen zu können. Auf Englisch, Spanisch, Italienisch, Französisch, drücken die Menschen den Dank gegenüber der Schweiz aus. Den Dank dafür, dass sie in der Schweiz die Möglichkeit eines begleiteten Abschiedes im Kreise ihrer Angehörigen haben.

Durch diese Erlebnisse wurde ich immer überzeugter, dass es meine Lebensaufgabe ist, die Freitodbegleitung nicht nur in der Schweiz zu fördern, sondern alles zu tun, damit die Legalisierung des assistierten Suizides in der ganzen Welt vorangetrieben wird. Da mir Dignitas die Möglichkeiten der eigenen Initiative nicht bieten kann, habe ich mich im Sommer 2011 entschlossen, eine neue Organisation zu gründen. Mit dem Verein lifecircle kann ich mich für Selbstbestimmung im Leben und am Lebensende, sowie insbesondere für die Erhaltung und Förderung der Lebensqualität einsetzen.

Mit der Gründung des Vereines lifecircle möchte ich Gleichgesinnte ansprechen, die bereit sind, mit mir aktiv für diese Ziele zu kämpfen. Mit einem Beitritt in den Verein lifecircle sagen Sie ja zum Leben und zur Durchsetzung der Selbstbestimmung. Damit Selbstbestimmung auch bei Urteilsunfähigkeit durchgesetzt werden kann, empfehle ich jedem urteilsfähigen Menschen eine Patientenverfügung zu erstellen. Alle Mitglieder von lifecircle füllen die ihnen zur Verfügung gestellte Patientenverfügung aus. Nur mit einer gültigen Patientenverfügung kann lifecircle von Ärzten und Pflegenden verlangen, dass sie den Willen des betreffenden Mitgliedes respektieren.

Das Leben ist das kostbarste Geschenk, das wir je erhalten haben. Das Leben kann aber auch eine unerträgliche Qual werden, wenn es jeglicher Qualität entbehrt. Diese Qualität zu schützen und zu verbessern, ist unsere Aufgabe. Dafür setzen sich alle Mitarbeiter und alle Mitglieder von lifecircle ein.

Mit der Gründung der vereinseigenen Stiftung Eternal SPIRIT möchte ich allen unheilbar kranken Menschen dieser Erde die Möglichkeit geben, eine Freitodbegleitung zu beantragen und diese, falls sie vom Stiftungsrat gutgeheissen wird, in der Schweiz zu realisieren. Ebenso steht mir mit der Stiftung die Möglichkeit offen, mich für die Legalisierung der Freitodhilfe in anderen Ländern einzusetzen. Es gibt Leiden, die durch nichts erträglich gemacht werden können. Ob dann das Dasein noch einen Sinn macht, kann allein der Betroffene beurteilen. In dieser Situation kann eine Freitodbegleitung der einzig würdevolle und menschliche Weg sein. Auch diesen Weg respektiere ich, denn ich habe zu viel Leid gesehen, um meine Augen und mein Herz davor zu verschliessen. Aus diesem Grund bietet lifecircle über die Stiftung Eternal SPIRIT seinen Mitgliedern auch die Möglichkeit des begleiteten Abschiedes mit einem Medikament, das sicher und schmerzlos in den Tod führt.

In Erinnerung an einen wunderbaren, selbstbewussten Menschen, meinen Vater, Albrecht Gottlieb Habegger.